Jugendarbeitslosigkeit

Begriffsklärung

Was oder wer ist die Jugend?

- Jugend ist die Phase, die auf die Kindheit folgt

- Jugend ist eine Vielzahl und Vielfalt von Gruppen

- Jugend wird aus soziologischer Sicht folgendermaßen definiert:

  • Alterphase beginnt mit dem Einsetzten der Pubertät ca. dem 13. Lebensjahr

  • Altergruppe der etwa 13 – 25 Jährigen, besitzt typisch jugendliche Verhaltensweisen und Einstellungen und ist deshalb so interessant

  • ist eine Subkultur und ein „idealer Wertbegriff“

 

- Jugend gilt als abgeschlossen, wenn ein Individuum seine persönliche und soziale

Identität gefunden hat (Indikatoren: ökonomische Selbstständigkeit und soziale

Verselbstständigung)

- Dauer der Jugendphase verlängert sich

- es entsteht eine neue gesellschaftl. regulierte Alterstufe = Postadoleszenz

- Jugendliche treten nach der Schulzeit nicht automatisch ins Erwerbsleben ein, es

entsteht eine Nach-Phase des Jung-seins

 

Arbeitslosigkeit Psychologische Skizzen über ein anhaltendes Problem

Erich Kirchler Verlag für Psychologie Göttingen 1993

 

Was ist Arbeit – Arbeitslosigkeit?

 

- in der Antike hatte körperl. Arbeit keinen sittlichen Wert, sie wurde verachtet

- auch im alten Griechenland war Arbeitslosigkeit ein Privileg der Reichen & Adeligen

- mit der christl. Ideologie erlangte körperl. Arbeit einen neuen Stellenwert

- Arbeit wurde als Mittel zur Selbsterziehung gelobt, Voraussetzung eines

sinnerfüllten Lebens, Basis jeglichen Dienstes an der Gemeinschaft

- mit dem Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit entstand Prozess der

Umstrukturierung

- mit Zunahme der Armen änderte sich die gesellschaftl. Wahrnehmung der Armut

und Arbeit

- es entstand „neue Sensibilität gegenüber Elend, neue Reaktionsformen gegenüber

Arbeitslosigkeit“ (Foucault 1973)

- mit dem Aufkommen des Bürgertums entstand Forderung nach Verpflichtung zur

Arbeit

- Arbeit ist Sozialisationsinstanz und über die Arbeit wird nach dem Sinn des Lebens

gesucht und Selbstverwirklichung erstrebt

- Arbeitslosigkeit bedeutet den Verlust gesellschaftl. Stellenwert und individueller

Realisierungsmöglichkeiten

 

Es gibt sechs vielfältige Funktionen der Arbeit für die Persönlichkeitsentwicklung:

 

  1. bietet die Möglichkeit Gespräche zu führen, andere Menschen zu treffen und Freundschaften zu schließen

  2. Bewältigung seiner Arbeitsaufgaben Fähigkeiten objektivieren und Gefühl der Kompetenz gewinnen

  3. durch Produktion nützlicher Güter o. Leistungen erhält der Einzelne Gefühl gebraucht und nützlich für die Gesellschaft zu sein

  4. sozialer Orientierungsrahmen, wesentlich für individuelle Selbsteinschätzung

  5. sich in Arbeitsprozessen objektivieren können, Grundlage für Ausgestaltung und Prüfung des individuellen Realitätskonzeptes in der Konfrontation mit äußerer Realität

  6. Konkrete Arbeit ausführen bildet Basis für die Ausbildung der persönl. Identität

 

- im Zuge des soziokulturellen Wandels, durch Linderung der schweren finanziellen

Probleme durch die Absicherung des sozialen Netzes, hat sich das Problem

zunehmend „psychologisiert“

- gerade Jugendliche erfahren bereits mit jungen Jahren, dass man „ausreichend“

Geld vom Staat bekommt ohne etwas dafür zu leisten

- Arbeitslosigkeit wir aber auch häufig mit Alkoholismus und Drogenkonsum wie auch

mit Kriminalität in Zusammenhang gebracht

Die überflüssige Jugend der Arbeitsgesellschaft

Eine Herausforderung an die Pädagogik Franz Josef Krafeld Leske + Budrich Opladen 2000

 

Selbstorganisation und Selbstorganisation des Lebenslaufs

Suche nach Identität

 

„Die soziale Ordnung ist zerfallen. Weder in ihrer Berufsrolle, noch in den Familienstrukturen, noch in den räumlichen Strukturen ihrer Lebenswelt können die Individuen noch finden, was die Soziologen als „Identität“ bezeichnen: ein sicheres, vertrautes soziales Bild dessen, was sie sind. Sie sind auf sich selbst zurückgeworfen und müssen sich auf Wegen und mit Mitteln zu verwirklichen suchen, die nicht von vornherein feststehen.“ (Gorz 1991, S.134)

„Die Aufgabe der Selbstfindung, der Ausbildung von Ich-Identität gewinnt heute gegenüber allen anderen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters eine hervorragende Bedeutung.“ (Krafeld 2000, S. 50)

Die Chancen zur Bewältigung von Erwerbslosigkeit hängen letztlich vor allem davon ab, über welche Kompetenzen- oder wie Bourdieu sagen würde- über welches soziale und kulturelle Kapital die betroffene Person verfügt. Und all das ist in ganz besonderer Weise abhängig vom jeweiligen Milieu.

Alle Lebenskonzepte in unserer Gesellschaft wurzeln in Erwerbsarbeit als unabdingbare Grundlage von Lebensorientierung und Lebensverwirklichung. „Ohne Arbeit geht es nicht!“ Niemand würde dem wiedersprechen.

Doch trotzdem haben wir Millionen Menschen bei denen es ohne gehen muss. Ein nicht geringer Teil von ihnen sind junge Menschen, die den entscheidenden Schritt in den ersten Arbeitsmarkt erst gar nicht schaffen oder nur mit Krisen und Brüchen. Und das oft trotz aller möglichen Vorbereitungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten.

Die Betroffenen müssen aber irgendwie damit zurechtkommen. Sie haben keine Alternative, auch wenn sie lieber eine Arbeit hätten. Diese Lebenssituation ist verbunden mit materiellen Belastungen und Problemen, Abhängigkeit und fehlende Entfaltungsmöglichkeiten, sozialen, psychische und gesundheitliche Belastungen.

Eines der zentralen Probleme jedes Arbeitslosen ist es irgendwie diese Zeit nicht sinnlos verstreichen zu lassen und sie auch für sich zu nutzen. Aber wie macht man das am besten?

Zunehmende Tendenz jedes Einzelnen, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, führt nach Bergmann & Eder (1999) zum Abbau traditioneller Bindungen und zur Veränderung traditioneller Werte. Selbstverwirklichung als Umsetzung eigener Interessen und Fähigkeiten wird zum Leitbild der persönlichen Entwicklung. Jeder ist für Misserfolg und Erfolg selbst verantwortlich, Scheitern gilt jedoch als Zeichen individueller Untüchtigkeit und weniger als Folge der Umstände.

Individualisierung führt zum Rückgang sozialer Kontrolle, ist aber häufig mit neuen Isolierungen verbunden. Im Gegentrend werden neue Formen der Vergemeinschaftung gebildet. Allerdings sind diese Formen als Unterstützungsfunktion bei der beruflichen Eingliederung ungeeignet, da sie häufig unklare Strukturen aufweisen.